Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkstudio Südostasien
Es hat lange gedauert, bis der erste Prozess gegen einen der Anführer der Roten Khmer in Kambodscha beginnen konnte. Und angesichts der schwierigen politischen Rahmenbedingungen, der jahrzehntelangen Verhinderungs- und Verzögerungsversuche einer historischen, und strafrechtlichen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Geschichte Kambodschas ist es fast ein Wunder, dass es überhaupt dazu gekommen ist.
Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter denen das kambodschanische Volk in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre zu leiden hatte, sind unvorstellbar. Willkürliche Hinrichtungen von Intellektuellen, die Ermordung von vermeintlichen Gegnern des Systems und eine menschenverachtende Zerstörung aller sozialen und menschlichen Bindungen waren Bestandteile eines kaum nachvollziehbaren Konzeptes der Roten Khmer für einen utopischen Bauernstaat.
Schätzungsweise zwei Millionen Menschen sind zwischen 1975 und 1979 in Kambodscha ums Leben gekommen - durch Gewalt, Zwangsarbeit und Unterernährung. Familien wurden auseinandergerissen, Kinder von ihren Eltern getrennt, weil die Partei die einzige Familie sein sollte. Die soziale Grundlage der Gesellschaft wurde aufgelöst.
Das Trauma der Vergangenheit
Und lange Zeit konnten die einstigen Anführer der Roten Khmer unbehelligt und frei in Kambodscha ihr Leben führen, während das gesamte Volk bis heute unter dem Trauma der Vergangenheit zu leiden hat. Denn es gibt kaum eine Familie, die nicht direkt oder indirekt betroffen war.
Selbst die später Geborenen spüren die Auswirkungen der Schreckensherrschaft der Roten Khmer bis heute: Weil ihre Eltern psychisch gebrochen sind oder weil durch die Roten Khmer das kollektive Wissen des ganzen Volkes zerstört wurde - durch die Ermordung einer ganzen Generation von Intellektuellen, worunter das Land bis heute leidet und auch 30 Jahre nach dem Ende der Schreckensherrschaft der Steinzeit-Kommunisten nicht auf die Beine gekommen ist.
Wenig Hoffnung auf gerechte Strafe ...
Viel Hoffnung auf eine gerechte Strafe für die Hauptangeklagten darf man sich nicht machen. Nicht nur, weil die meisten alt und krank sind und selbst das Ende des Prozesses möglicherweise gar nicht erleben werden, ganz zu schweigen von einer möglichen Haftstrafe.
Die komplizierte und einzigartige Zusammensetzung des Tribunals aus internationalen und kambodschanischen Richtern, mit dem kambodschanischen Recht als Prozessgrundlage und nicht zuletzt die unterschiedlichen juristischen Auffassungen und Verständigungsschwierigkeiten zwischen den beteiligten Juristen sorgen für einen mühsamen und langwierigen Prozess, dessen Ende nicht abzusehen ist. Die Staranwälte, die die Verteidigung der einstigen Rote-Khmer-Führer übernommen haben, werden ihrerseits tief in die juristische Trickkiste greifen, um eine Verurteilung der Angeklagten zu verhindern.
... trotzdem ein wichtiger Prozess
Dennoch ist der Beginn des Prozesses selbst ein wichtiger Schritt für eine gesellschaftliche Versöhnung in Kambodscha. Für die Alten ist er eine Art Genugtuung, dass diejenigen, die für ihr Leiden verantwortlich waren, doch noch zur Rechenschaft gezogen werden. Für die Jugend ist der Prozess ein deutliches Zeichen dafür, dass kein Verbrechen ungesühnt bleibt, was im heutigen Kambodscha keine Selbstverständlichkeit ist.
Und für die einstigen Täter bedeutet der Prozess einen Gesichtsverlust, was in Kambodscha, wie in vielen anderen buddhistisch geprägten Ländern in Südostasien, schon eine Strafe an sich ist, auch wenn es am Ende nicht zu einer Verurteilung kommen sollte.
Montag, 23. Februar 2009
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